Ende April verabschiedete der Deutsche Bundestag den neuen Paragraph 129b Strafgesetzbuch. Damit sind die so genannten Anti-Terror-Pakete von Bundesinnenminister Schily (SPD) komplett. Die Bundesrepublik ist damit wieder ein Stück repressiver geworden.
Der neue Paragraph 129b StGB, wie ihn der Bundestag am 26. April verabschiedet hat, sieht vor, dass nun auch die Mitgliedschaft und Unterstützung krimineller und terroristischer Vereinigungen im Ausland strafbar und in Deutschland verfolgbar ist. Dabei gibt es allerdings einen Unterschied zu den Regelungen der Paragraphen 129 und 129a, die sich auf Vereinigungen im Inland beziehen. Innerhalb der EU werden kriminelle und terroristische Vereinigungen wie im Inland verfolgt und bestraft. Bei Staaten außerhalb der EU muss das Bundesjustizministerium der Verfolgung solcher Vereinigungen zustimmen. So soll verhindert werden, dass Gruppen, die auch bewaffneten Widerstand gegen so genannte Unrechtsregime leisten, automatisch als terroristisch verfolgt werden. Die Bundesregierung behält sich hier vor, über Verwerflichkeit und Strafbarkeit solcher Vereinigungen zu entscheiden, im Interesse Deutschlands. Gerne wird als Beispiel Nelson Mandela herangezogen, den ja niemand in Deutschland einsperren wolle.
Diese Einschränkung gegenüber der Inlandsregelung haben wir den Grünen zu verdanken. Der ursprüngliche Entwurf Schilys von Oktober 2001 sah keinen Unterschied vor. Doch auch an der jetzigen Regelung gibt es Kritik. So sehen StrafverteidigerInnenvereinigungen den Paragraphen 129b als nicht durchführbar und verfassungswidrig an. Deutsche Gerichte müssten ohne die Möglichkeiten einer eigenen Ermittlung vor Ort darüber entscheiden, ob eine terroristische Vereinigung vorliege oder nicht. Hinzu kommen generelle Bedenken gegen die Terrorismusgesetzgebung, die in der Vergangenheit schon zur Forderung der Abschaffung der Paragraphen 129 und 129a führten.
Auch die Bündnisgrünen erhoben lange diese Forderung. Gestützt wurde sie u.a. auch dadurch, dass nur drei Prozent der Anklagen nach Paragraph 129a in den Neunzigerjahren zu Verurteilungen führten, während es bei anderen Delikten vierzig Prozent waren. Deshalb werden diese Paragraphen auch als Ermittlungsparagraphen bezeichnet. Ihre Anwendung gibt den Strafverfolgungsbehörden eine Vielzahl von Sonderbefugnissen an die Hand, die es ermöglichen, Verdächtige einfacher in Untersuchungshaft zu nehmen, Datenverkehr aller Art zu überwachen, sowie Strukturen und Privatleben auszuspionieren. Zum Beispiel hörte die Polizei in einem Verfahren gegen die Antifa M in Göttingen über 14000 Telefonate ab. Das Verfahren wurde eingestellt.
Der Paragraph 129b ist der aktuellste Stand einer seit Jahrzehnten in der Bundesrepublik Deutschland fortschreitenden Entwicklung zum Polizeistaat. In den Siebzigerjahren wurden die ersten massiven Einschnitte in Grundrechte vorgenommen. Seitdem haben die Bundesregierungen einen Gesetzentwurf nach dem anderen in den Bundestag eingebracht, die allesamt Kompetenzen der Polizeien, Staatsanwaltschaften und Geheimdienste auf Kosten der bürgerlichen Grundrechte ausbauten. Höhepunkte waren die Aufhebung der Unverletzlichkeit der Wohnung, kleiner und großer Lauschangriff, Einführung der Schleier- und Rasterfahndungen in den Polizeigesetzen der Länder, Ausreiseverbote durch Änderungen des Passgesetzes und schrittweise Aufhebung des Trennungsgebotes von Polizeien und Geheimdiensten durch die Einführung verdeckter ErmittlerInnen und ungehinderten Datenaustausch der Behörden.
Die sogenannten Anti-Terror-Pakete sind nicht erst durch die terroristischen Anschläge am 11. September 2001 entstanden. Sie lagen längst in den Schubladen der Ministerien. Zum Teil setzen sie das um, was auf EU-Ebene in Form von Absichtserklärungen schon weit vor dem 11. September beschlossen wurde. Die Bilder der einstürzenden Twintowers in New York haben lediglich das politische Klima in der Bevölkerung für die Umsetzung all der Maßnahmen geschaffen.
Doch ist das jetzt schon der Polizeistaat? Ist unsere Freiheit mit der Sicherheit gestorben?
Jede Gesetzesänderung ließ sich in der Vergangenheit scheinbar erklären. Sehen wir uns aber die Gesamtentwicklung an, so ist festzustellen, dass sich unsere Republik grundsätzlich geändert hat. Wenn wir heute in den Straßenbahnen ständig videoüberwacht werden, wenn in Frankfurt 14000 Männer zur Abgabe ihres Fingerabdrucks bestellt werden, um einen Mö-rder zu fassen, wenn immer mehr Datenbanken von den Sicherheitsbehörden abgerufen werden dürfen, wenn wir überall und zu jeder Zeit kontrolliert werden dürfen, wenn hunderttausend StudentInnen gerastert werden, dann gilt nicht mehr die Unschuldsvermutung, dann sind wir nicht mehr mündige BürgerInnen, die diesen Staat tragen und kontrollieren, dann sind wir nur noch potenzielle StraftäterInnen und TerroristInnen. Ob wir das nun Polizeistaat nennen oder nicht, muss jeder und jede selbst entscheiden.