Kalt und zugig ist es auf dem Gelände im Kölner Stadtteil Kalk. Hier, wo früher eine chemische Fabrik stand, sieht man jetzt gelbe Container. In der Rheinmetropole, die sich gern als weltoffen und tolerant gibt, werden Flüchtlinge seit letztem Jahr nicht mehr nur in festen Steinhäusern untergebracht. Stattdessen wohnen rund zweihundert Menschen, im Moment vor allem Roma aus dem ehemaligen Jugoslawien, auf dem umzäunten Areal. Wachdienst und Scheinwerfermasten tun ein Übriges, um die richtige Lagerstimmung aufkommen zu lassen.
Diese Art der Unterbringung hat in der Domstadt schon zum einen oder anderen negativen Presse- und Fernsehbericht geführt. Die Stadt hat daraus vor allem eine Konsequenz gezogen: Einfach so kommt heute keinE FremdeR mehr in das Lager. Wer es versucht, wird vom Wachdienst empfangen. Eine Frau vom Deutschen Roten Kreuz, welches das Lager betreibt, erklärt dann, fotografieren sei nicht erlaubt. Man habe »schlechte Erfahrungen« mit den Medien gemacht. Es sei eine Erlaubnis der Stadt Köln einzuholen. »Prinzipiell« sei ein Besuch kein Problem, sagt die städtische Pressesprecherin Inge Schürmann. Allerdings sei zuvor noch ein Anruf beim Roten Kreuz notwendig. Dort wiederum heißt es: »Wir melden uns wieder bei Ihnen«. Ende der Fahnenstange, willkommen in der Warteschleife.
Neben dem Tor des Containerlagers befindet sich der Eingang zum übrigen Gelände der ehemaligen Chemiefabrik Kalk. Hier haben die Bagger gearbeitet, nichts steht mehr. Auf den Erdhügeln und in den Furchen toben ein paar Kinder aus dem Lager. Doch ein Schild am Zaun trübt die Idylle von spielenden Kindern. »Betreten verboten«, steht da neben dem Tor, obwohl dieses sperrangelweit offen steht. Damit will sich die Stadt vermutlich vor Regressforderungen schützen. Denn das Gelände der ehemaligen chemischen Fabrik ist möglicherweise verseucht. Zu diesem Ergebnis kamen jedenfalls zwei Gutachten, in Auftrag gegeben vom Kölner Flüchtlingsrat und dem Rom e.V., einem Verein für die Verständigung von Roma und Sinti mit Deutschen. Bei einer eingereichten Probe überschritt die Anreicherung des Bodens mit den Schwermetallen Blei und Arsen den zugelassenen Grenzwert um das Achtfache. Das Gelände sei »alles andere als hermetisch abgeschlossen« und diene den Kindern als Abenteuerspielplatz, warnte Claus-Ulrich Prölß vom Kölner Flüchtlingsrat bereits letztes Jahr im November.
Auch jetzt, fünf Monate später, hat sich hier nichts geändert. Vorsichtsmaßnahmen für den Fall des Falles wurden nicht getroffen. Stattdessen bestreitet die Stadt weiterhin energisch, dass der Boden belastet sein könnte. Das Institut, das die vom Rom e.V. eingereichten Proben untersucht hat, hat sich inzwischen an die Öffentlichkeit gewandt und auf seiner Analyse bestanden. Das Problem scheint nun darin zu bestehen, dass die Proben vom Rom e.V. in Auftrag gegeben und nicht von »unabhängigen Gutachtern« gesammelt wurden. Die Sprecherin der Stadt Köln tut die Untersuchung deshalb als »reine Propaganda« ab. Ein eigenes Gutachten der Stadt Köln soll zwar existieren, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde es aber trotz allen Drängens des Flüchtlingsrates bislang nicht.
Im Lager selbst steht den Flüchtlingen zu viert ein kleines Zimmer zu. Umgerechnet 3,6 Quadratmeter pro Person. Je zwei Baracken sind überdacht, aber winddurchlässig, so dass die Flüchtlinge im Winter durch die Kälte zu den sanitären Anlagen müssen. Die BewohnerInnen dürfen nicht selber kochen, stattdessen gibt es Gemeinschaftsverpflegung. »Auf einem Plastikteller ein Haufen Reis, daneben eine kleine Schüssel Blattsalat und ein übelriechendes Fleischfrikassee«, so der Eindruck von Prölß. »Dieses Lagerleben macht krank«, meint er.
Ziel der Stadt sei es, die Bargeldauszahlung zu reduzieren, sagt Stadtsprecherin Schürmann. Flüchtlinge kauften zuweilen vom Essensgeld vor allem Alkohol. Seit 1. September gibt die Stadt an »Illegale« nur noch Gutscheine für Kleidung und anderes aus, keine Sozialhilfe. LokalpolitikerInnen sagen offen, damit »Illegale« aus der Stadt drängen zu wollen.
Die Lagerunterbringung begründet man offiziell jedoch mit Mangel an Wohnraum. Der Flüchtlingsrat bezweifelt dies: »Die Entscheidung für das Lager hat nichts, aber auch rein gar nichts zu tun mit der tatsächlichen Anzahl freier Wohnkapazitäten«, sagt dessen Sprecher Prölß. Auch sei die Gemeinschaftsverpflegung für die Stadt nicht billiger, rechnet der Flüchtlingsrat vor: Neun Euro am Tag kostet die zentral gesteuerte Versorgung der Flüchtlinge. Das Doppelte dessen, was sonst bar ausgezahlt würde. Prölß warnt: »Diese Ausgrenzungspolitik kostet Geld, das die Stadt nicht hat«. Das Lager stellt sich aus seiner Sicht als »Bestandteil der Kölner Abschreckungspolitik gegenüber Flüchtlingen« dar. Seine Einrichtung sei daher eine »ausschließlich politische Entscheidung« gewesen.
Der Verein Rom e.V. wirft der Stadt Köln zusätzlich Stimmungsmache gegen die Roma vor. Damit es keine Proteste gebe, wenn diese in Containerlager gesteckt werden, so »als wäre man in der Dritten Welt«. Charakteristisch für diese Politik ist für Doris Schmitz von Rom e.V. eine städtische Pressemitteilung von Anfang März. Den Roma-BewohnerInnen des Areals wurde in dieser Erklärung ein »Sozialverhalten« vorgehalten, das »krass von dem der Mehrheitsbevölkerung abweicht«. Für die eigene Lage dagegen bat man um Verständnis: »Die Verwaltung ist konfrontiert mit dem ungelenkten und nahezu ungehinderten Zuzug einer Gruppe von Personen, die häufig ihrer Erziehungspflicht in keiner Weise nachkommt.«
Die Roma seien damit »auf unglaubliche Art und Weise pauschal als Volk diffamiert und beleidigt« worden, sagt Schmitz. Die Verwaltung zeichne ein Bild von Roma, das zu »Entsolidarisierung« führen müsse und solle. Nach Protesten gegen solche Stimmungsmache nehme sich die Stadt üblicherweise etwas zurück. Nach einiger Zeit jedoch »geht es meist wieder von vorne los. Anlass sind immer leere Kassen, größere Flüchtlingsströme, ausgelöst durch politische Umwälzungen, Kriege und wirtschaftlichen Niedergang in den Herkunftsländern«.
Einstweilen geht das Leben im Containerlager weiter wie gehabt. Offiziell sollte im Sommer Schluss sein mit der Unterbringung von Menschen in Blechkisten, das Lager war eigentlich als Provisorium gedacht. Doch die Kölner FDP, mit der CDU an der Regierung, hatte bereits angekündigt, dass die Container länger stehen bleiben, da nicht genügend Wohnheimplätze vorhanden seien. Das sagt auch Inge Schürmann. Die Lage habe sich sogar verschärft. Mittlerweile ist das Fortbestehen des Lagers beschlossene Sache.