Unter den deutschen StudentInnen zeichnet sich eine deutliche Tendenz zum Wunsch nach »neuem Nationalstolz« und »Normalität« in Bezug auf die deutsche Vergangenheit ab. Das ergab eine Studie der Universität Essen zum Umgang mit der nationalsozialistischen Geschichte.
Bei der Umfrage unter mehr als 2100 StudentInnen wünschten sich über sechzig Prozent der Befragten »wieder ein gesundes Nationalbewusstsein« der Deutschen. Diese Schlussstrich-Mentalität erinnert an die Paulskirchen-Rede des Schriftstellers Martin Walser. Der hatte 1998 von einer Instrumentalisierung der Shoa zu gegenwärtigen Zwecken gesprochen und ein Abschließen mit der NS-Vergangenheit gefordert.
Rund ein Viertel der Befragten fand, dass viele JüdInnen versuchten, »aus der deutschen Vergangenheit Vorteile zu ziehen« und »das schlechte Gewissen der Deutschen« auszunutzen. Geschichte werde von ihnen zu eigenen Zwecken instrumentalisiert. Die Padägogen Klaus Ahlheim und Bardo Heger, Leiter der Untersuchung, bezeichnen dieses Phänomen als sekundären Antisemitismus. Bei diesem spielten zwar gängige antisemitische Stereotypen keine Rolle, die Beschäftigung mit der deutschen Vergangenheit werde aber als störend empfunden. Die Befragten seien von einer deutlich materialistisch-hedonistischen Mentalität geprägt, der Solidarität eher fremd sei.
Immerhin ein Viertel der StudentInnen fühlte sich »durch die Erinnerung an den Holocaust von den Juden gestört«. Man werde über Gebühr mit Informationen zum Thema Nationalsozialismus »zugeschüttet«. Dennoch wiesen die Befragten laut Ahlheim und Heger erhebliche Wissenslücken in diesem Bereich auf.
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hatte zuletzt am 8. Mai, dem Jahrestag der Befreiung, in einem Gespräch mit Walser die Deutschen zu mehr Selbstbewusstsein aufgerufen.