Kunstfestival im Hinterhof

Vier Frauen haben in Kalk ein offenes Atelier geschaffen. Von Kurzfilmen bis zu Konzerten ist hier Platz für jene Kultur, die bislang in Köln keinen Raum fand. Von André Patten

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Wer die Kalk-Mülheimer-Straße gleich bei der U9-Haltestelle Kalk Post hochspaziert, erwartet hinter der kleinen Glasfensterfront neben Kiosken, Dönerläden und anderen türkischen Kleingeschäften eher das Büro eines Versicherungsvertreters der Allianz, als den Eingang zu einer neuen Spielstätte junger Kunst. Tatsächlich war bis Ende des vergangenen Jahres ein Steuerberater in den Räumen untergebracht. Meryem Erkus, Studentin der Film-/Fernseh- und Medienwissenschaften an der Uni Köln hat sich die neue Raumnutzung ausgedacht und kurzerhand den gemeinnützigen Kulturverein »Baustelle Kalk« gegründet. Die Gründung der Baustelle versteht sie als Chance, einen Ort für jene künstlerischen Ansätze zu schaffen, die in Köln zwischen Artheater, Kunstverein, Studiobühne & Co. bislang keinen geeigneten Raum gefunden haben.

Als Statistin bei Schorsch ­Kameruns »Der entkommene Aufstand« im Kölner Schauspielhaus lernte Erkus Anfang des Jahres Janina Warnk und Nicole Wegner, beide Studentinnen an der Kunsthochschule für Medien, kennen. Begeistert von der Idee eines neuen, unabhängigen Kunstortes schlossen sie sich dem Vorhaben an. Gemeinsam mit Erkus und deren Schwester Fatma, die sich als Kassenwärtin ums Finanzielle im gemeinnützigen Baustellenverein kümmert, organisieren »die Vier von der Baustelle« seit Februar regelmäßig Ausstellungen, Konzerte, Film- und Performance-Abende. So holte Erkus die international bekannte Kurzfilm-Reihe FutureShorts nach Köln, die nun seit Februar regelmäßig in der Baustelle stattfindet. Nicole Wegner, die im Rahmen ihres Kunststudiums bereits einen Film über die Avantgarde-Musik-Szene in den USA gedreht hat, kümmert sich um die Konzerte, »die es sonst in Köln nicht geben würde«, sagt sie.

Zum besonderen Erlebnis werden die Veranstaltungen durch die ungewöhnliche Raumgestaltung. Für jedes Event entwirft Janina Warnk ein passendes Raumkonzept, an dem sich auch die Outfits der vier Frauen orientieren. Zum Konzert der New Yorker Combo »Talibam! & Sam Kulik discover AtlantASS« am 13. März wurde die Baustelle so zu einem knallbunten Hinterhof-Atlantis umgebaut und der Eintritt von einer bärtigen Meerjungfrau in einer Badewanne entgegengenommen.

Es ist eine angenehme Hinterhof-Atmosphäre, bei der sich die unterschiedlichsten BesucherInnen treffen. Von Schülerinnen mit Tigerleggins, bunt frisierten KünstlerInnen, interessierten NachbarInnen bis zur Designstudentin mit Jute-Beutel sind alle vertreten. Bei Konzerten geht es durch den Nebeneingang in den Hof, in dem sich die Gäste bei gutem Wetter zwischen Fahrrädern, Mülltonnen und den Terrassen der ­Nachbarwohnung­en sammeln, auf grünen Plastikstühlen sitzen, gemütlich Efes-Bier trinken und selbstgemachte Kurkuma-Kekse futtern, die es für ein paar Cent an der Bar gibt.

Bereits nach ein paar Monaten ist eine lebendige Plattform für frische künstlerische Ideen entanden, ein Ort »für gemeinsame Ideenfindung und den kreativen Austausch von künstlerischen Vorschlägen«, wie es in der Vereinssatzung heißt. Ein Ort für junge KünstlerInnen, die sich abseits von den gängigen Kunstzirkeln bewegen. Der Verein lädt dazu ein, mitzuwirken und heißt Vorschläge für Kunst- und Kulturprojekte willkommen.