Soziale Säuberung

Von Katrina zur Klassenfrage Von Julia Groth

Dreieinhalb Jahre ist es her, dass der Hurrikan Katrina die US-Metropole New Orleans in weiten Teilen dem Erdboden gleich machte. Die zerstörte Stadt und Ihre BewohnerInnen haben seitdem nur noch sporadisch Aufmerksamkeit bekommen. Mit Soziale Säuberung. Wie New Orleans nach der Flut seine Unterschicht vertrieb legen taz-Redakteur Christian Schorb und Friedrich Schorb vom Bremer Zentrum für Sozialpolitik nun das erste umfassende deutsche Buch darüber vor, welche Auswirkungen Katrina auf das Leben der - überwiegend schwarzen - Unterschicht in New Orleans hatte. Mit Hilfe von Interviews, Statistiken, Schwarzweiß-Fotos und gründlich recherchierten Hintergrundtexten zeigen die Autoren, wie sich in New Orleans die Rassen- und Klassenfrage nach dem Sturm verschärft haben. Denn in den niedrig gelegenen, sumpfigen Gebieten waren die Schäden am größten - und dort lebten überwiegend finanziell schlecht gestellte AfroamerikanerInnen. Verwaltung und Regierung beschlossen, die Sozialwohnungen in den gefährdeten Gebieten nur zum Teil wieder aufzubauen, um die Bevölkerungsdichte dort zu verringern. Der Plan war zwar städteplanerisch sinnvoll, kam aber um Jahre zu spät. Die Stadt, die so stolz ist auf ihre schwarze Jazz-Vergangenheit, dass ihr Flughafen Louis Armstrong International Airport heißt, hat einem großen Teil ihrer schwarzen Bevölkerung die Lebensgrundlage entzogen. Die meisten der rund 20000 afroamerikanischen ehemaligen BewohnerInnen der Sozialsiedlungen leben heute verstreut im Süden der USA, meist arbeitslos und sozial isoliert. An der neuen Wohnungssituation, die einkommensschwache BürgerInnen deutlich benachteiligt, sind auch Immobilienfirmen Schuld. Sie haben nach Katrina viele zerstörte Gebiete günstig aufgekauft, um dort teure Mustersiedlungen zu bauen. Das ist eins der Ergebnisse, zu denen Jakob und Schorb kommen. Das Zusammenspiel von Politik und Wirtschaft zur Vertreibung des »Pöbels« stellen sie in den größeren Kontext einer neuen, repressiven US-Sozialpolitik. Ganz aktuell kann das Buch freilich nicht sein. Die grundlegenden Interviews stammen aus dem Frühjahr 2007, und auch die durch Barack Obamas Wahlsieg in vielen geweckte Hoffnung auf ein sozialeres Amerika findet noch keine Erwähnung. Dennoch ist Soziale Säuberung ein sehr lesenswertes Buch, das zeigt, wie viele PolitikerInnen und Geschäftsleute mit Katastrophen Gewinn machen.