Ein neues Land

Sprachbarrieren in Bildern Von Carolin Wedekind

Viel Übersetzungsarbeit musste der Verlag Carlsen für die großzügig gestaltete deutsche Ausgabe von Ein neues Land nicht leisten. Denn der australische Comiczeichner Shaun Tan kommt beim Erzählen seiner Auswanderergeschichte völlig ohne Worte aus. Die wenigen Schriftzeichen in seiner Graphic Novel sind den LeserInnen genauso fremd wie dem Protagonisten. Wehmütig packt ein Migrant zu Beginn der Geschichte seinen Koffer und verabschiedet sich von seiner Familie. Unheimliche Schatten über der Stadt scheinen ein Grund für seine Abreise zu sein. Auf nostalgisch anmutenden Schwarzweiß-Zeichnungen mit vergilbten Rändern, die an alte Fotografien erinnern, kann man seine lange Schiffsreise und die Ankunft in der Fremde verfolgen. Anfangs hat er es nicht leicht in der surrealen Metropole. Alles ist verwirrend, die Fauna merkwürdig und was im neuen Land essbar ist, weiß er auch noch nicht. Mit den EinwohnerInnen kann er sich nur durch Gesten, Zeichnungen und Origami verständigen und es stellt sich als schwierig heraus, eine Arbeit zu finden, die er versteht. Sein einziger Freund ist sein neues Haustier, ein etwa katzengroßes, eierförmiges Etwas. Mehrere hilfsbereite Fremde, die selbst hierher geflüchtet sind, helfen ihm aber bald bei den zeitlosen Migrationsproblemen wie Sprachproblemen, der fremden Kultur und der fehlenden sozialen Kontakte. Inspiriert hat Tan vor allem die Geschichte seines Vaters, der 1960 von Malaysia nach Australien kam. Durch die außergewöhnliche Erzählweise bietet Ein neues Land einen sehr eigenen Zugang zu den Schwierigkeiten von MigrantInnen. Dass die sequenzielle Kunst keine Sprechblasen braucht, um Geschichten zu erzählen, könnte für einige LeserInnen ungewohnt sein. Damit das Vergnügen an dem Bilderbuch für Erwachsene nicht zu schnell vorbei ist, sollte man deshalb bereit sein, sich auf die detailreichen Fantasielandschaften in Steampunk-Ästhetik einzulassen.