Irgendwann ist man fertig mit der Uni, hat einen Job, eine große Wohnung und wohnt vielleicht sogar mit der Freundin oder dem Freund zusammen. Und dann kann man eigentlich zufrieden sein mit seinem Leben. Oder? Kolja Mensings neues Buch Minibar kann einen daran zweifeln lassen. Der Alltagstrott und die gemütliche Zufriedenheit seiner Figuren zeigen allzu deutliche Risse. Da ist zum Beispiel die ältere Schwester eines Freundes des Ich-Erzählers, die regelmäßig versucht, sich mit Aspirin umzubringen. Oder der Mann, der beim Bier von seinem Bordellbesuch erzählt, obwohl sein Gegenüber überhaupt nichts davon hören will. Mensing gelingt es hervorragend, in jeder der 16 Erzählungen eine Atmosphäre zwischen Melancholie und Unbehagen zu schaffen. Die Geschichten, alle zwischen eineinhalb und vier Seiten lang, sind nur skizzenhaft. Das macht ihre Qualität aus. Denn so entsteht schnell das ungute Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Mensing gibt sich nicht damit ab, es wieder wegzujagen und über die angenehmen Seiten des Alltags zu schreiben. In einer der Geschichten lebt ein Paar drei Monate in der gemeinsamen Wohnung, ohne dass die Frau ein Wort mit ihrem Freund spricht. Von einem Tag auf den anderen hört sie auf zu reden. Dann zieht sie aus. Am Kühlschrank klebt ein Zettel, auf dem steht, dass sie immer für ihn da sei, er brauche nur anzurufen. Ist das jetzt unrealistisch oder realistisch, komisch oder traurig? Der Autor spart sich jede Bewertung der Ereignisse, ebenso der Ich-Erzähler. Jede Geschichte schließt mit einer Art Pointe, die manchmal etwas bemüht wirkt. Am besten sind die Geschichten, die von Menschen handeln, die vermutlich im Alter des Autors sind, vielleicht sogar autobiografisch von den FreundInnen, Bekannten und ehemaligen FreundInnen des Autors erzählen, auch wenn man ihm das nicht wünscht. Wenn Mensing oder sein Ich-Erzähler dagegen allzu offensichtliches soziales Elend wie den Alkoholiker draußen auf der Bank beobachten, drohen die betreffenden Geschichten ein wenig in die Sentimentalität abzurutschen. Mensing ist vor allem ein guter Beobachter der trostlosen Momente im Leben der Mittelschicht. Glücklicherweise währt das Unbehagen nach der Lektüre nur kurz, denn irgendwie ist das Leben ja doch meistens ganz in Ordnung. Und wenn nicht, gibt es immer noch die Minibar.