Fliegerin, grüß mir die Sonne

Bildergeschichten XXI: Wie eine Frau alleine über den Atlantik flog und zur Ikone wurde Von Beate Schulz

»Einige Aspekte des Fluges sind übertrieben dargestellt worden, fürchte ich… Ich habe bei der Landung keine Kuh getötet, es sei denn, eine wäre vor Angst gestorben.« Der Flug, den Amelia Earhart so lakonisch kommentierte, hatte allerdings nicht nur ein paar Kühe auf einer Wiese in Nordirland erschreckt, sondern auch Luftfahrtgeschichte geschrieben. Fünf Jahre nach Charles Lindbergh hatte sie im Mai 1932 als erste Frau im Alleinflug den Atlantik überquert.

Während einer Stuntflugshow am 28. Dezember 1920 saß die damals 23-jährige Earhart zum ersten Mal in einem Flugzeug. Eine Woche später nahm sie ihre erste Flugstunde, die sie ebenso wie ihr eigenes Flugzeug mit 28 verschiedenen Jobs finanzierte. Mit ihrem leuchtendgelben Flugzeug »Canary« stellte sie 1921 einen Höhenrekord für Frauen auf. Nach der Scheidung ihrer Eltern zog sie mit ihrer Mutter von Kalifornien an die Ostküste und gab die Fliegerei vorübergehend auf - bis sie 1928 einen Anruf des Piloten Wilbur Stultz erhielt, der sie einlud, als Passagierin mit über den Atlantik zu fliegen. Obwohl sie nicht als Pilotin geflogen war, wurde sie bei ihrer Rückkehr als Heldin gefeiert und zu einem Idol der jungen amerikanischen Frauen.

Nach ihrer Teilnahme am als »Puderquastenrennen« bekannt gewordenen Cleveland Women's Air Derby gründete sie mit drei anderen Pilotinnen die Ninety Nines, einen Club, dem 99 der damals 117 in den USA zugelassenen Pilotinnen angehörten und der noch heute die weltweit größte Pilotinnenvereinigung ist. Als Präsidentin der Ninety Nines setzte sie sich für feministische Ziele ein und opponierte gegen das traditionelle Erziehungssystem, das »die Menschen weiterhin nach ihrem Geschlecht einteilt«.

Ein halbes Jahr nach ihrer Hochzeit mit dem New Yorker Verleger George Putnam brach sie am 20. Mai 1932 zu ihrem Flug über den Atlantik auf. Wegen schlechter Wetterbedingungen erreichte sie aber nicht Paris, sondern landete auf einem Feld nahe der nordirischen Stadt Londonderry. Mit diesem Flug hatte sie als erster Mensch den Atlantik zweimal in einem Flugzeug überquert, wofür sie mit der Goldmedaille der National Geographic Society geehrt wurde.

Die Liste ihrer fliegerischen Pionierleistungen umfasst unter anderem die ersten Alleinflüge über den Pazifik und vom Roten Meer nach Indien. Ihr größtes Unterfangen nahm sie 1937 in Angriff: einen Flug rund um die Erde entlang des Äquators. Als sie am 2. Juli 1937 von Neu-Guinea zur letzten Etappe über den Pazifik aufbrach hatte sie bereits drei Viertel der Strecke zurückgelegt. Ihren letzten Funkspruch empfing die »Itasca«, ein Schiff der US-Küstenwache, um 20.45 Uhr. Am 19. Juli brach die Marine die zweiwöchige Suche nach Amelia Earhart und ihrem Navigator Fred Noonan erfolglos ab. Sie sei »verschollen, vermutlich tot«. Ihr Flugzeug wurde bis heute nicht gefunden.